Barbaren. Selbstverständlich verurteilen, das ist keine Volksverhetzung.

2. Juli 2022
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In Russland denkt die Mehrheit heute, nach glaubhaften Umfragen, russischer Imperialismus sei ganz natürlich.

Umbeschriftung der Stadt Mariopol nach Okkupation

Nach Adornos Maßstäben haben die Russen nicht nur deshalb als grundlegenden sozialen Typus einen noch simplen, geradezu unverbogenen autoritären Charakter. In dieser Reinkultur diesen Charakters ist Putin alles andere als allein unterwegs. Was soll man da beschönigen, immerfort? Darf man ein Krankheitsbild, sobald es die Mehrheit befallen hat und somit eine Bevölkerung, also ein Staatsvolk (hier identisch mit der Bevölkerung), maßgeblich kennzeichnet, in unserem überkorrekten Deutschland nicht als faktisch krank bezeichnen und dies in Verbindung bringen mit dem Volk? Also, darf man in diesem Rechtsstaat der Bundesrepublik öffentlich die Auffassung mitteilen, die Mehrheit der Russen seien nach einem aufgeklärten Menschenbild europäischer Prägung psychisch nicht gesund? Und damit das russische Volk?

Ork Putin
Putin Ork

Problem für den PC Formulierer: Die sogenannten Russen sind aber nicht unbedingt und ausschließlich zugehörig zu Europa, wie wir immer wieder unterstellen möchten, vielleicht weil wir selber aus Europa kommen und alle, gern oder ungern sei dahingestellt, so sehen, wie wir uns sehen. So sieht einer der führenden russischen Schriftsteller (Wiktor Wladimirowitsch Jerofejew) heute realistischer Weise selbst aber seine Landsleute eben nicht. Lösen wir uns ausnahmsweise von unserer zeitgenössisch eurozentristischen Sichtweise, so kommt man noch schneller, logischerweise, zu dem Schluss, dass auf russischem Gebiet bereits ein Moskowiter Völkchen lebt, welches durch unser europäisches Auge gesehen – das nie zur Gänze sich selbst leugnen kann – aktivistisch abgegrenzt als anders, barbarisch genannt werden sollte, solchermaßen außerhalb gelegen des per Autopoiesis Erreichbaren und Wünschbaren, nicht unbedingt also geografisch, eher im Sinne der Kategorie Zivilisation. Alles kann sich ändern, wieder einspielen. Momentan ist es so, reflexiv eingebunden. Völker wandern in die Nähe oder auch aus der Sicht des Begreifbaren heraus. Dann sprechen wir klassisch von Barbaren.

Mit Goethe konnte man auch nicht erfolgreich das Bild des Deutschen zu Hitlers Zeiten aufhübschen, ohne in der falschen Ecke der Unterstützer zu landen. Genauso sollte man jetzt nicht hinter der Räuber-Regierung das Unterstützervolk idealisieren und fälschlich hygienisch abgrenzen vom Staatsvolk derjenigen, die einen russischen Pass haben in dem bisherigen Russland, denn letztere tragen per definitionem bereits Verantwortung aufgrund ihrer amtlichen Zugehörigkeit.

Das Publikum dort liebt, wie die Römer einst, eigene militärische Erfolge und Größe. Das Männerideal dort ist nach heutigen westlichen Standards toxisch, da hat Boris Johnson Recht. Nach Standards der Antike ist das russische Männerideal allerdings völlig normal. Das Abendland hat sich von dieser Antike entfernt, Russland eher nicht.

Auch sollte sich unser zivilisatorisches Verständnis für Annektionen bescheiden in Grenzen halten: Oder, sollten wir Deutschen Österreich annektieren, weil Deutschland keine Stärke gewinnt ohne Österreich, weil Deutschland nicht groß gedacht und gemacht werden kann ohne Österreich? Die Österreicher wären doch nur Deutsche, verstehe ich da Putin im Analogon richtig? Was ist eigentlich mit Kalingrad? Heißt das nicht Königsberg? Hat da nicht Kant gewohnt und aufgeklärt unterrichtet in bescheidenen Verhältnissen?

 Nicht anders als barbarisch kann man das Verhalten der russischen Angreifer in der Ukraine und das allgemeine Tolerieren oder das offizielle mediale Befürworten der Taten im russischen Volk bewerten, so wie es nicht nur im staatlichen Fernsehen dort geschieht. Sie sind damit, nach abendländischen, also in aufgeklärten Maßstäben, Barbaren. Das ist schlicht eine Bewertung, aber nicht unbedingt eine Abwertung. Gern kann man dies auch im Sinne eines Urteils begreifen. Warum sollten wir das Geschehen durch diese russischen Bürger nicht verurteilen? Selbstverständlich müssen wir das, das ist noch lange keine Volksverhetzung. Die Fronten sind damit geklärt, bei Barbarei muss man kommunikativ wie praktisch die Fronten klären.

Ukrainische Abiturienten 2022 mit Jahrgangsbild

Wenn wir verurteilen, müssen wir auch konkret werden, jemanden verurteilen, in diesem Fall russische Bürger. Reden wir im Sinne von Volk und Staaten, müssen wir das russische Volk hierfür verantwortlich sehen im russischen Staat.

Sollen wir so tun, als ob die Greueltaten in der Ukraine von einer irgendwie neutral zu betrachtenden Okkupantenmacht, von Denkmälern unbekannter Soldaten verübt werden, um ja nicht ein positives Russlandbild befleckt zu sehen?

Soll man das Verhalten der Russen für die Kriegsgreuel somit aufwerten? Wer soll uns dazu zwingen, das, so positivistisch, nihilistisch zu sehen, die KPDSU?

Wie speichelleckerisch muss man gegenüber einer Räuberbande mit Atomwaffen sein, die ein ganzes Volk aus vielen Völkern hinter sich schart und als Kanonenfutter in einem Angriffskrieg in einem Nachbarland verheizt? Ausgespart werden dabei möglichst die Moskauwiter.

Wie kann man eine Verurteilung und damit Abwertung eines solchen Volkes an Tätern in der Auffassung eines freien Bundesbürgers der Bundesrepublik Deutschland als Volksverhetzung betrachten?

Putin ist nur der momentane Hauptmann der Räuberbande. Russland hat keinen Staat, sondern versumpft totalitär unter der Diktatur eines Geheimdienstregimes, welches rein räuberische Absichten hat im In- und Ausland. Vom Staat ist nur die Hülle geblieben. Diese Diktatur von Banditen beutet und raubt aus.

Deshalb, nicht wegen Nationalismus, steht Putin nun mit seinen Russen in der Ukraine und vernichtet dort ausgerechnet die russisch sprachigen Regionen. Die Sprache interessiert nicht. Dort ist die Schwerindustrie, dort sind Rohstoffe im Boden. Die Russischsprachigen werden einfach plattgewalzt.

An der Waffe der Okkupanten steht nicht ein russischer Staat, sondern jeweils ein russischer Soldat, der sich nach russischem Verständnis offiziell nicht in einem klassischen Raubzug mit Städtezerstörung befindet, sondern in einer “Spezialoperation”, in diesem Fall von Banditen. Ein marodierender Raubzug hat noch lange nicht das Niveau von einem Krieg, soweit richtig, Putin.

Zu etwas Speziellem wie einer Spezialoperation kann man eine Meinung haben, aber man solle, nach Meinung des Räuberhauptmanns Putin, das Spezielle den Spezialisten überlassen, also den Raub seiner Räuberbande, die den russischen Staat ausmacht.

Töten tun russische Soldaten. Also Russen. Plündern, Vergewaltigen, Foltern, Umerziehen, Deportieren, das geschieht alles mit Hilfe der russischen Soldaten.

Kein pauschal russisches Volk sagt nein dazu und verhindert dies. Also abwerten eben dieses. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Unsere Gesellschaft ist diffus geworden, hat Orientierungsschwierigkeiten, insbesondere die Intellektuellen haben “Gehirndiffusität”, Nihilismus, sind verloren im Umgang mit den einfachsten Dingen, weil sie zu viel Deleuze, Foucault, Lyotard und Derrida gelesen haben. Ihr Gehirn hat nach diesem Quark die Struktur eines Camembert, vor dem Anschnitt. Das ist atrophierter Nihilismus, keine Me-Too Gleichberechtigung und kein Existenzialismus.

Moral besteht ganz einfach aus Werten, Bewertungen, Urteilen, lehnt Nihilismus ab, kennt kein postmodernes Einerlei, kennt Konsequenzen, will die Handlung sehen und nicht nur Hirnfick.

Nicht alles ist gleich auf diesem Planeten, sagt der moralische Charakter. Und wo Dunkel ist, ist dunkel und kein Licht.

Sprache muss benennen, bezeichnen, differenzieren, trennen, vergleichen, so Moral haben. Dekonstruktion reicht nicht, Moral ist konstitutiv. Sie ist sich selbst setzend, a priori. Moralisch muss man sein, um Moral zu haben. Sie ist, was sie ist, wenn Heidegger Moral gehabt hätte, hätte er sie wunderbar beschreiben können als das “Sein”. Ihm war das “Haben” zu unwesentlich, so wurde sein Sein unmoralisch.

Wäre Moral nicht obendrein tautologisch, sie hätte keine Mitteilung von Wert. Unseren öffentliche Briefe schreibenden Intellektuellen, die sich Putin vor die Füße werfen wollen, ist das Tautologische, das sich immer wieder Findende viel zu einfach. Nur in dieser Einfachheit bringt die Moral etwas. Sie kann nichts in Gange bringen, sonst. Wo Dunkel ist, werde Licht. Das Leben als Prozess vor dem Tod. Eingefangen ist dies im Mythos von Tolkin und seinem “Herr der Ringe”, die Mühsal, das Rad auf das der Held gespannt wird, die Irrfahrt, unbeirrbar sein.

Wir sind in den zu beurteilenden Taten in dieser Hinsicht gut oder böse, nicht alle gleich.

Sonst bräuchten wir hier auch keine Räuber und keine Mörder mehr einsperren in Gefängnissen, wenn wir sie anarchisch dort in der Ukraine gewähren lassen und das mordende, marodierende Volk dennoch als Volk und Kultur gern weiterhin als hochkultiviert bezeichnen und es nicht aktuell abwerten wollen. Wären wir so, wirklich, wären wir nicht ganz richtig im Kopf und am Ende. 

Moral und Ethik sind im Abendland eindeutig und nicht indifferent, nicht nihilistisch, christlich geprägt. Schuld ist ein Riesenthema in Europa. Für die Eindeutigkeit nimmt die Christlichkeit zwingend die Schuld in Kauf. Das Tragische dringt damit ein. “In  Kauf nehmen” heißt dem “Haben” des Moral-Haben seinen irdischen Platz notgedrungen zuzugestehen.

Russen gehören in ihrem allgemeinen Verhalten derzeit zu den Barbaren, bis sie das Thema Imperialismus und Bombardieren, Plündern, Vergewaltigen, Foltern, Umerziehen, Deportieren, Annektieren nicht nur einstellen, sondern auch ehrlichen Herzens bedauern und Buße tun, umkehren. Sie haben den Schaden in der Ukraine mit Reparationen zu bezahlen. Bleiben wir bei dieser Sicht, auch wenn es winters kalt wird.

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